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Warum überhaupt vergeben? Es gibt Dinge, die will ich nicht vergeben. Was ich damit sagen will: Bevor ich an einem Ideal festhalte, wie ich sein sollte, was ich machen sollte, möchte ich erst mal durch meine Gefühle gehen. Warum muss ich zuerst an den anderen denken? Christus sagte, ich soll meinen Nächsten lieben, wie mich selbst. Also mich zuerst, sonst kann ich meinen Nächsten auch nicht lieben. Dass heißt nicht, das ich meinem Gegenüber nicht unmittelbar vergeben kann, aber so einfach will ich es ihm auch nicht machen.
Ich gehe durch meine Gefühle hindurch, indem ich sie so lasse wie sie sind. Meine Gefühle sind doch berechtigt. Wenn ich nach wie vor so fühle, wie ich nun mal fühle, kann ich das doch nicht einfach ignorieren. Ich will ein Beispiel geben: Mein Kind lebt nicht mehr, weil man ihm sehr weh tat, und in mir ist der Schmerz darüber. Es wäre nicht authentisch, ihn wegdenken, unterdrücken zu wollen. Christus sagt, was ihr auf Erden behaltet, wird auch im Himmel behalten werden. Wenn ich nicht vergeben kann, überlasse ich es Gott, dass er es für mich tut. Mit dieser Haltung kann es eines Tages sein, dass ich doch einmal vergeben kann. Die Tatsache, das mein Kind durch ein Grauen musste, dass es selbst nicht bewältigen konnte und ich es auch nicht beschützen konnte, ist mein Schmerz. Wir können unsere Kinder in dieser Welt nicht beschützen. Das ist eine Illusion. Das einzige, was mich über meinen Schmerz hinwegtrösten kann, ist, dass dieses ungeheuerliche Geschehen bei Gott aufgehoben ist, selbst wenn die Menschen es in hundert Jahren längst vergessen haben.
Ich habe den Schmerz zunächst einmal zugelassen, will aber nicht in diesem Schmerz stecken bleiben. Mein Schmerz ist legitim, sodass ich mich nicht mit dem Täter aussöhnen muss. Ich muss mich nicht persönlich mit ihm aussöhnen -mein Kind hätte auch durch andere Umstände umkommen können. Es geht um den Schmerz, den mein Kind erlitten hat -"erleiden musste"- weil gerade niemand da war, der ihm helfen konnte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich für meine Wut einen einzelnen Menschen verantwortlich machen könnte, denn auch er hat seine Geschichte.
Wer weiß, wo ich mich selbst schuldig gemacht habe in meinem Leben, ohne mir im Klaren darüber zu sein. Mit Worten kann man genauso viel Unheil anrichten, wie mit einem Messer. Ich habe zwar keinen physischen Mord begangen, aber vielleicht einen Seelischen. Selbst wenn ich aus Unwissenheit so gehandelt habe, möchte ich, dass Gott es mir auch verzeiht. Die Bereitschaft zu bereuen ist keine Kopfsache. Wenn Du Gottes Willen erkannt hast, wenn Dir wesentliche Dinge eingegangen sind, wirst Du automatisch dahin kommen nicht unbarmherzig oder ungerecht zu sein. Ohne wirklich, Gott zu Glauben was er uns durch sein Wort in der Bibel sagt, werde ich weder das eine noch das andere können. Das eine führt ja zum anderen. Ich kann nur sagen, ich wünsche mir – wenn eine solche Situation eintritt, dass ich dann wirklich vergeben kann -aber "machen" kann ich das nicht. Ich will mich aber an meine Schuldhaftigkeit erinnern und auch daran, wie es mir dabei erging, als Gott mir vergab. Und ich glaube, das Gott für uns Verständnis hat, wenn wir einfach noch nicht bereit sind zu vergeben.
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Ergreife den Schild des Glaubens und halte Gottes schöne,
strahlende Gerechtigkeit in deinem Herzen liebend umfangen.
(Hildegard von Bingen)
Aus meiner Sicht kann ich nicht anders als doch vergeben. Ich habe da zu viel schon erkannt. Ich hab da viel zu viel (von Gott) erfahren, als dass ich all meine Erkenntnisse über den Haufen werfen könnte und nicht vergeben. Natürlich kann ich dem anderen vergeben, aber ich werde das Unrecht nicht vergessen, damit ich nicht noch einmal in die gleiche, oder ähnliche Lage gerate. Der andere muss erst seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen -aber das erwarte ich nicht.
Ich sollte auf jeden Fall zusehen, dass meine berechtigten Zorn- und Schmerzgefühle, nicht auf andere projiziert werden, denn dann dreht sich das Rad dieser Wut- und Hassgefühle immer weiter. Mein Hass könnte Unschuldige treffen (Gary Oldman im Film „Romeo is Bleeding“– er glaubt seine Gegnerin zu treffen als er schießt -und erschießt seine Geliebte)!
Vergeben heißt für mich, das Loslassen von unerfüllbaren Ansprüchen. So wie Gott uns vergibt. Wir können seine Ansprüche auch nicht erfüllen!
Wer verurteilt, kann sich irren. Wer verzeiht, irrt nie.
(Karl Heinrich Waggerl)
Solange wir nicht vergeben, sind wir an den gebunden,
der uns verletzt hat.
(Anselm Grün)
Wenn man jemanden, der einen gebissen hat, wieder beißt,
handelt man wie ein wildes Tier, nicht wie ein Mensch.
(Musonius)
Wie überwinden wir das Böse? Indem wir es vergeben ohne Ende. Wie geschieht das?
Indem wir den Feind sehen als den, der er in Wahrheit ist,
als den, für den Christus starb, den Christus liebt.
(Dietrich Bonhoeffer)
Wir sollen immer verzeihen,
dem Reumütigen um seinetwillen,
dem Reulosen um unseretwillen.
(Marie von Ebner-Eschenbach)
Selig der Mensch, der den Nächsten in seiner Unzulänglichkeit genau so erträgt,
wie er von ihm ertragen werden möchte.
(Franz von Assisi)
Ob man dir wohl will oder wehe,
hasse nicht, verachte nicht -
verstehe.
(M. Boersner)
Großer Geist, hilf mir, dass ich niemanden richte,
ehe ich einen halben Mond lang in seinen Mokassins gegangen bin.
(Indianisches Gebet)
Ehe man tadelt, sollte man immer versuchen,
ob man nicht entschuldigen kann.
(Georg Christoph Lichtenberg)
Die meisten und schlimmsten Übel, die der Mensch dem Menschen zugefügt hat,
entsprangen dem felsenfesten Glauben an die Richtigkeit falscher Überzeugungen.
(Bertrand Russell)
Jeder hat etwas in seiner Natur, das, wenn er es öffentlich ausspräche,
Missfallen erregen würde.
(Unbekannt)
Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen.
(Isaac Asimov)
Alle Fehler, die man macht,
sind eher zu verzeihen als die Mittel, die man anwendet,
um sie zu verbergen.
(François de La Rochefoucauld)
Der Abfall von der Lehre ist nicht menschlich, sondern teuflisch.
Er ist ein Sturz aus dem höchsten Himmel in die äußerste Hölle.
Denn die hartnäckig in ihrem Irrtum beharren, erkennen nicht nur ihre Sünde nicht,
sondern sie verteidigen sie auch als höchste Gerechtigkeit.
Deswegen können sie nie und nimmer Vergebung erlangen.
(Martin Luther)
Dass Menschen in Schuld geraten, ist schlimm,
aber sich schuldig zu fühlen und nicht an Vergebung glauben zu können,
das ist die Hölle.
(Eugen Drewermann)
Das alte Gebot, "Auge um Auge",
lässt alle als Blinde zurück.
(Martin Luther King)
Verzeihen ist mehr als Recht haben,
Geduld ist stärker als Gewalt.
(Romano Guardini)
Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.
(Dietrich Bonhoeffer)
"Trennlinie Glückssterne"
© Birgit Wiedenhöft
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